Informationen für medizinisches Personal

Aufklärungsschreiben
für medizinische Einrichtungen einschließlich Gesundheitsämter

Sehr geehrte Damen und Herren,
als Zusammenschluss der untenstehenden Verbände möchten wir Ihnen eine Hilfestellung im Umgang mit hörbehinderten / hörsehbehinderten Patient*innen geben, die Ihre Einrichtung aufsuchen.

Sicherung der Verständigung

Gehörlose, schwerhörige, spätertaubte, taubblinde und CI-tragende Menschen können auch mit technischen Hörhilfen nur begrenzt akustisch Sprache wahrnehmen. Auch dann, wenn sie z.B. gut sprechen können. Den meisten Gehörlosen, vor allem den vor dem Spracherwerb ertaubten, ebenso vielen hochgradig schwerhörigen Menschen, ist auch eine schriftsprachliche Kommunikation nur eingeschränkt möglich. Sie haben laut SGB I, § 17 das Recht auf die Verwendung von Gebärdensprache und somit auf eine Verdolmetschung im medizinischen Bereich. Dementsprechend bitten wir Sie unbedingt um die Hinzuziehung von Dolmetscher*innen für (Deutsche) Gebärdensprache und Deutsch (kurz: Gebärdensprachdolmetscher*innen), falls von der*dem Patient*in gewünscht. Analog hierzu benötigen Schwerhörige und spätertaubte Menschen, die die Gebärdensprache nicht beherrschen, Schriftdolmetscher*innen. Diese erstellen eine Live-Mitschrift, die der*die Patient*in simultan mitliest. Die Rechtsgrundlage entspricht ebenfalls SGB I, § 17.
Manche hörbehinderte Patient*innen organisieren bereits vor dem Arzt- oder Krankenhaustermin eine*n Dolmetscher*in oder Assistent*in. Sollte dies nicht der Fall sein, stellen Sie bitte vor Ihrer Befragung, Testung und/oder Behandlung sicher, welche Kommunikationsform der*die Patient*in nutzen möchte. Bitte unterstützen Sie dann die/den Patient*in dabei, diese Kommunikationshilfen einsetzen zu können.

Kontaktaufnahme zu Dolmetschenden

Bitte kontaktieren Sie die*den für Sie passende*n, ortsansässige*n Dolmetscher*in, falls eine Fernverdolmetschung (siehe unten) nicht möglich ist. Selbstverständlich ist es möglich, über die vorhandenen Strukturen wie die Landesverbände der Gehörlosen oder regionalen Gebärdensprach- dolmetscherverbände die Dolmetscherbestellung vorzunehmen. In der Regel gibt es im jeweiligen Verband eine Mailverteilerliste.
Hörbehinderte Patient*innen mit besonderen Bedarfen, z.B. Geflüchtete und / oder Menschen mit Migrationshintergrund, die eine Gebärdensprache eines anderen Landes (z.B. Russische Gebärdensprache oder Türkische Gebärdensprache) verwenden, zusätzlich sehbehinderte Menschen oder Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung benötigen in vielen Fällen weitere Dolmetscher*innen / Assistent*innen. Diese finden Sie ebenfalls auf der Liste mit verfügbaren Dolmetscher*innen / Assistent*innen.

Fern- bzw. Onlinedolmetschen

Um bei einer ansteckenden Infektion dem empfohlenen Infektionsschutz Folge zu leisten und alle, einschließlich Dolmetscher*innen, vor einer potentiellen Ansteckung zu schützen, fordern wir vor allem die Möglichkeit des Fern-/ Onlinedolmetschens. Dolmetscher*innen werden hier über ein bildgebendes Medium oder einen Textkanal online zugeschaltet und ermöglichen so eine ortsunabhängige Verdolmetschung des Gesprächs. Die beigefügte Liste der verfügbaren Dolmetscher*innen enthält zusätzlich die Angabe, ob und in welcher Form diese das Fern-/ Remote- dolmetschen anbieten.
Um dies zu gewährleisten, stellen Sie bitte hierfür einen stabilen Internetzugang (WLAN) und ggf. notwendige Ausstattung wie Laptops o.ä. zur Verfügung.

Schutzmaßnahmen

Für die Einhaltung der Schutzmaßnahmen für alle Beteiligten vor Ort, einschließlich der Dolmetscher*innen / Assistent*innen wären transparente Atemschutzmasken bei einer Verdolmetschung in Gebärdensprache von großem Vorteil. Damit können hörbehinderte Patient*innen die für die Verdolmetschung bzw. Assistenz notwendige Gesichtsmimik sowie das Mundbild weiterhin wahrnehmen.

Kostenübernahme

Die Kosten für beauftragte Gebärdensprachdolmetscher*innen, Schrift- dolmetscher*innen und Taubblinden-Assistent*innen im Rahmen einer Testung oder ambulanten Behandlung müssen von den Krankenkassen übernommen werden (in Klärung!). Auch bei stationären Behandlungen in Krankenhäusern werden seit dem 01.01.2020 die Kosten für beauftragte Gebärdensprach- dolmetscher*innen, Schriftdolmetscher*innen und Taubblinden-Assistent*innen von den Krankenkassen übernommen (MDK-RG, Artikel 4). Für das Online- Dolmetschen sind entsprechend einer Empfehlung der GKV ebenfalls die gesetzlichen Krankenkassen zuständig (Schreiben vom 26.03.2020) Bitte bescheinigen Sie hierfür abschließend der/dem Dolmetscher*in oder Assistent*in immer ihren/seinen Einsatz.
Vielen Dank!
Bei weiteren Fragen wenden Sie sich gern an uns unter

info@gehoerlosenbund.de

Weitere Informationen finden Sie unter

www.barrierefreieKommunikation.de

www.corona-leichte-sprache.de

Der Zusammenschluss aus

  • Berufsverband der tauben GebärdensprachdolmetscherInnen (tgsd) e.V.
  • Bundesverband der GebärdensprachdolmetscherInnen Deutschlands (BGSD) e.V.
  • Bundesverband der Schriftdolmetscher Deutschlands (BSD) e.V.
  • Deutscher Gehörlosen-Bund e.V.
  • Deutsche Gesellschaft für Taubblindheit gGmbH
  • Deutscher Schwerhörigenbund (DSB) e.V.
  • Taskforce Leichte Sprache
  • Taubblindenassistenten-Verband e.V.

Informationen für
gehörlose/hörbehinderte Menschen

Tipps für gehörlose Patienten:
Recht auf Gebärdensprache

Wenn Gehörlose und andere Menschen mit Hörbehinde- rung zum Arzt oder ins Krankenhaus gehen, haben sie das Recht, Gebärdensprache zu benutzen. Das steht im Sozial- gesetzbuch (§ 17 Abs. 2 SGB I). Die Kosten für einen Ge- bärdensprachdolmetscher werden übernommen. Bei Arzt- besuchen und ambulanter Behandlung im Krankenhaus übernimmt die Krankenkasse die Kosten, bei einem sta- tionären Krankenhausaufenthalt das Krankenhaus. Die Dolmetscher rechnen direkt mit der Krankenkasse oder dem Krankenhaus ab.

Wie ist der Dolmetscheinsatz geregelt?

Sie müssen Ihren grundsätzlichen Bedarf an Gebärden- sprachdolmetschern bei Ihrer Krankenkasse anmelden. Sie bekommen dann eine Bestätigung, dass die Kranken- kasse die Kosten übernimmt. Jetzt können Sie bei Arzt- besuchen einen Dolmetscher in Anspruch nehmen.

In manchen Fällen müssen Sie einen speziellen Antrag stellen, z.B. wenn Sie einen bestimmten Dolmetscher haben möchten, der vielleicht etwas weiter weg wohnt. Eine Doppelbesetzung ist in der Regel möglich, wenn das Gespräch länger als 60 Minuten dauert oder mehr als drei Personen teilnehmen. Einzelheiten müssen Sie mit Ihrer Krankenkasse klären.

Wer bestellt den Dolmetscher?

Sie können selbst einen Dolmetscher organisieren. Viele Krankenkassen haben Listen mit Gebärdensprachdolmet- schern. Die Dolmetscher müssen einen Abschluss haben. Sie können auch den Arzt darüber informieren, dass Sie einen Dolmetscher brauchen und dass die Praxis oder das Krankenhaus einen Dolmetscher bestellen muss. Auch die Krankenkasse kann das übernehmen. Wichtig ist: Früh- zeitig klären, wer den Dolmetscher organisiert!

Tipps zum Umgang mit Ärzten

Informieren Sie den Arzt über Ihre Hörbehinderung und erklären Sie, wie er sich verhalten soll. Die Situati- on ist für den Arzt ungewohnter als für Sie. Haben Sie Mut zur Offenheit und erklären Sie Ihre Situation und Bedürfnisse.

Sagen Sie klar, was Sie brauchen und wie Sie kom- munizieren möchten: Sprechen, Absehen, Schreiben, Gebärdensprache (mit Dolmetscher), …

Tipps zur Kommunikation beim Absehen und Sprechen
OHNE DOLMETSCHER

Auf wichtige Gesprächsregeln hinweisen
Der Arzt soll

  • Sie beim Sprechen immer anschauen
  • den Mund nicht abdecken
  • deutlich sprechen, aber nicht zu langsam – kurze und klare Sätze verwenden
  • Mimik und Gestik benutzen
  • das Thema nennen
  • Wichtiges aufschreiben

Nicht einfach „ja“ sagen
Wenn Sie nicht verstanden haben, fragen Sie nach.
Tun Sie nicht so, als ob Sie verstanden hätten!

Sätze wiederholen
Wiederholen Sie, was der Arzt gesagt hat.
So können Sie überprüfen, ob Sie alles richtig verstanden haben.

Papier und Stift mitnehmen
Lassen Sie den Arzt wichtige Informationen aufschreiben, z.B. wie Sie Medikamente einnehmen sollen.

Gute Kommunikation sicherstellen
Versuchen Sie nicht, „so gut es eben geht“ zu kommunizieren.
Wenn die Kommunikation nicht gut funktioniert, nutzen Sie Ihr Recht auf Gebärdensprachdolmetscher.

Tipps zur Kommunikation in Gebärdensprache
MIT DOLMETSCHER

Frühzeitig bestellen
Bestellen Sie den Dolmetscher so früh wie möglich.

Dolmetscher informieren
Geben Sie dem Dolmetscher zur Vorbereitung allewichtigen Informationen für den Arzttermin.

Dolmetscher vorstellen
Stellen Sie dem Arzt den Dolmetscher vor. Informie-ren Sie den Arzt über die Rolle des Dolmetschers.

Sitzordnung klären
Der Dolmetscher sollte neben dem Arzt und Ihnengegenüber sitzen. Achten Sie auf gute Beleuchtung.

Rückfragen direkt an den Arzt
Fragen Sie den Arzt und nicht den Dolmetscher, wennSie etwas nicht verstanden haben.

Ablauf von Untersuchungen vorher klären
Fragen Sie den Arzt, was genau passiert. Besonders wenn Sie bei Untersuchungen alleine sein müssen (z.B. beim Röntgen).

Sagen, wenn etwas nicht stimmt
Seien Sie mutig und sagen Sie offen, wenn Sie mit der Dolmetschsituation unzufrieden sind.
Für eine gute Kommunikation sind alle Beteiligten verantwortlich.

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